„Klettertechnik und Klettertraining von A bis Z“ lautet der Untertitel von Peak Performance, einem bekannten Lehrbuch über Trainingsmethoden beim Klettern. Doch ein Blick in das Stichwortverzeichnis zeigt: Ganz bis Z geht es scheinbar doch nicht. Denn die Suche nach „Zyklus“ bleibt erfolglos. Und das ist kein Einzelfall. Obwohl die Frage, wie der weibliche Zyklus unsere Leistungsfähigkeit beeinflusst, langsam an Relevanz gewinnt, spielt sie in den meisten Trainingsbratgebern noch immer keine Rolle.
Zwei Aspekte haben bei mir persönlich dazu geführt, dass ich dem Thema in meinem Trainingsalltag eine größere Relevanz schenke und Unterschiede im Verlauf meines Zyklus stärker wahrnehme: Zum einen habe ich einen Zyklusworkshop bei Anna Nussbaumer besucht und dort viel über die verschiedenen Zyklusphasen erfahren. Zum anderen nehme ich zyklusbedingte Schwankungen in meiner Leistungsfähigkeit deutlicher wahr, seitdem ich stärker klettere und mehr Maximalkraft benötige, um meine Projekte durchzusteigen. Sicherlich hat diese Wahrnehmung etwas mit unseren ganz individuellen Leistungsgrenzen zu tun. Doch je höher die Grade, desto mehr Maximalkraft ist für uns alle notwendig, um sie zu bezwingen. Und desto mehr werden wir vermutlich auch zyklusbedingte Schwankungen wahrnehmen – bewusst oder unbewusst.
Lange Zeit unterteilte sich mein Zyklus in meiner Wahrnehmung in genau zwei Phasen: Die Zeit, wenn ich meine Tage hatte und die Zeit, wenn ich sie nicht hatte. Während meiner Periode habe ich mich stets automatisch ein bisschen geschont, weil ich schon immer unter starken Regelschmerzen gelitten habe. Ein wenig Bewegung tut gut und lindert die Schmerzen, so richtigen Elan, in dieser Zeit an mein Limit zu gehen, habe ich selten.
Doch dann öffnete mir Anna Nussbaumer in einem Zyklusworkshop die Augen: Auch in der Zeit, in der wir unsere Tage nicht haben, gibt es riesige Hormonschwankungen. Und diese wirken sich nicht nur auf unsere psychische Verfassung und Stabilität aus, sondern auch auf unsere körperliche Leistungsfähigkeit. Und wenn wir uns mal bewusst vor Augen führen, was in der Phase nach dem Eisprung eigentlich passiert, erstaunt es eigentlich nicht mehr, dass unsere Leistungsfähigkeit in vielen Bereichen eingeschränkt ist: In der zweiten Zyklusphase, also nach dem Eisprung, bereitet sich der weibliche Körper immer wieder darauf vor, eines der größten Wunder der Natur zu vollbringen: Ein neues Leben heranwachsen zu lassen.
Periode (1. bis 5. Tag des Zyklus): Auch wenn ich wegen meiner Regelschmerzen meist etwas Motivationsunterstützung benötige und die ersten Routen echt schwerfallen: Wenn mein Kreislauf erst einmal in Schwung kommt und meine Muskulatur warm ist, tut mir die Bewegung meist sehr gut. Ich höre hier sehr auf meinen Bauch: Wenn ich merke, dass mein Körper nach Ruhe schreit, gönne ich sie ihm. Ich weiß ja, dass bald Zeiten bevorstehen, in denen ich wieder mehr Gas geben kann . Grundsätzlich merke ich aber, dass ich nach einer etwas längeren Aufwärmphase ganz gut Kraft habe und auch durchaus motiviert sein kann, etwas Schwereres zu klettern.
Follikel-Phase (6. bis 12. Tag des Zyklus): Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt für mich, um richtig Gas zu geben. Im Zyklusworkshop habe ich gelernt, dass in der Follikelphase große Trainingseffekte beim Muskelaufbau erzielt werden können. Das spüre ich auch deutlich an der Wand. Meine Kraft nimmt zu, meine Energie steigt. Schwere Touren fallen mir wieder leichter. Schon beim Warmklettern merke ich einen unterschied und „tanze“ die Routen müheloser nach oben.
Ovulations-Phase (13. bis 16. Tag des Zyklus): So langsam erreiche ich den Peak in meiner monatlichen Leistungsfähigkeit. Kleine Leisten wegballern? Harte Züge blockieren? Kein Problem! Was sich vor zwei Wochen noch kraftraubend und anstrengend anfühlte, macht jetzt wieder viel mehr Spaß. Maximalkraft kann man eben nur ausgeben, wenn man sie in sich hat. Und genau das ist jetzt in dieser Phase der Fall.
Luteal-Phase (17. bis 28. Tag des Zyklus): Ach war das schön die letzten Tage… nun aber: Welcome Leistungstief…Je herzlicher ich es willkommen heiße und annehme, desto leichter fällt es mir, in dieser Zeit nicht allzu große Erwartungen an mich zu stellen. Bevor sich meine Bänder und das Bindegewebe für die Zeit während der Periode lockern, nehme ich es nochmal als besonders angespannt wahr. Auch Maximalkraft ausgeben fällt mir jetzt richtig schwer. Ursächlich hierfür ist das steigende Progesteron, das dafür sorgt, dass unser Energielevel absinkt. In der Phase nach dem Eisprung steigt die weibliche Körpertemperatur geringfügig an, der Körper verwertet Kohlehydrate weniger gut als sonst und lagert vermehrt Wasser im Körper ein. Dies kann dazu führen (und bei mir tut es das auf jeden Fall ), dass Anstrengung sich mühevoller anfühlt als sonst. Wenn ich in dieser Zeit zu viel will, frustriert es mich extrem. Denn nun schleicht sich ja neben den körperlichen Auswirkungen, die meine Hormone haben, auch noch dieses fiese Phänomen genannt PMS dazu, das meine psychische Stimmung gefühlt unkontrolliert beeinflusst… .
Klar ist, dass sich die einzelnen Phasen nicht auf den Tag genau angeben lassen. Je nach Zyklus können sie mal etwas länger oder kürzer dauern. Was für mich jeden Zyklus gleich bleibt: Es gibt Tage, an denen ich mehr Kraft habe und Tage, an denen ich deutlich weniger Kraft habe.
Klingt nun alles nach einer super Ausrede, falls es mal wieder nicht mit einem Durchstieg klappt? Mag sein. Doch ein bisschen Achtsamkeit mit unserem Körper kann uns dabei helfen, im Einklang mit diesem zu trainieren. Schwächere Phasen kennen und annehmen, kann uns vor Frustration schützen. Zu wissen, wann mögliche Leistungspeaks sind, kann uns vielleicht helfen, unsere Grenzen ein Stück weit zu verschieben. Wie geht es euch dabei? Spürt ihr Unterschiede beim Klettern je nach Zyklusphase? Und wie geht ihr in eurem Trainingsalltag damit um?
Schreibe uns, ruf uns an, besuche uns… welcher Weg auch immer Dich zu uns führt: Wir freuen uns auf Dich!
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climbe – Analena Rischpler und Máté Matolcsi GbR
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