Versetzte Berge oder Steine im Weg?

Eine kleine Geschichte über das Mindset

Das gute alte Mindset – so oft reden wir darüber. So oft ist es Teil unserer Klettercoachings. Unsere Wahrnehmung folgt der Aufmerksamkeit. Klare Sache, wissen wir! Doch wenn uns das alles so bewusst ist: Wie konnte es sein, dass uns unser Mindset so clever austrickst und wir es lange Zeit nicht einmal bemerkt haben?

 

Alles begann mit der Fragestellung: „Kann man mit dem Ohm weich sichern?“. Theoretisch ist das eine neutrale Frage. Wir hätten sie neutral betrachten können – OHNE zu werten. Denn wirklich getestet haben wir es selbst bis dahin nicht. Doch unser Mindset war schneller als unsere rationalen Überlegungen. Und es hatte eine ganz klare Haltung zu dem Thema: „Nein, mit dem Ohm kann man nicht weich sichern.“

Probieren wollten wir es dennoch. Doch im Grunde war eh klar, was dabei rauskommen würde. Trotzdem: Wir fangen an, zu testen. Auf einer Weichheitsskala von 1 (hart) bis 5 (weich) ordnete Máté die Stürze im unteren Bereich ein. War ja eh klar. Weich und Ohm, das passt eben nicht zusammen. Wie wäre es, die Sicherungsmethoden zu ändern? Den Zeitpunkt des Absprungs anders zu wählen? Oder die Position zum Wandfuß? Halbherzige Versuche kämpfen gegen das übermächtige Mindset… und… verlieren. Na klar!

 

Thema durch. Ohm zurück in den Schrank gelegt. Quod erat demonstrandum. Oder doch nicht?

Ein Video bringt den vom Mindset in den Weg gelegten Stein ins rollen...

Wie stießen auf ein Video von edelrid. Darin sichert ein Experte weich mit dem Ohm. Weicher als ohne. Alles ein Fake? Reine Marketingstrategie? Im ersten Augenblick können wir kaum glauben, was wir sehen. Denn was wir sehen, passt nicht in die Denkmuster, die wir uns zu diesem Thema angelegt haben. Immerhin: Es regt uns zum Nachdenken an. Und: Es triggert unseren Ehrgeiz. Denn wir setzen uns viel mit dem Thema „weich Sichern“ auseinander. Wir optimieren kontinuierlich unsere Methoden und wollen weiches Sichern zum Standard machen. Ihr wisst schon, Weichei und so… Sollte es mit dem Ohm also doch gehen, wäre das ja eigentlich toll! War das also der Moment, der unser Mindset zum wanken gebracht hat? Zumindest haben wir die Chance genutzt und dem Ohm eine zweite gegeben!
weich sichern mit ohm

Auch ein Ohm verdient eine zweite Chance!

Wir holen also das Ohm wieder aus dem Schrank. Wirkliche Freunde sind wir noch nicnt. Doch es gibt einen Unterschied zu den vorangegangenen Versuchen: Wir probieren völlig unterschiedliche Methoden. Denn plötzlich sagt uns unser Mindset: Es MUSS irgendwie gehen. Also: tiefe Hocke, etwas weiter weg von der Wand, zeitverzögertes Abspringen. Es fühlt sich ungewohnt an. Nicht nur im Vergleich zum Sichern ohne Ohm, bei dem Leni beim Sichern von Máté wegen des großen Gewichtsunterschieds eher gegen als mit dem Seilzug arbeiten muss. Auch im Vergleich zum Sichern von gleich schweren Kletterpartnerinnen ist das Timing anders. Doch überraschender Weise wertet Máté den Sturz auf unserer Skala mit einer 4 – das entspricht schon fast „Butter“ ;). Erstaunte Reaktionen von anderen Kletterern, die uns beobachten. Na sowas: Haben wohl auch andere ein negatives Mindset in Bezug auf das Ohm? Wir merken, wie sich Euphorie in uns breit macht. Denn wir haben unserem Mindset offensichtlich ein Schnippchen geschlagen. Und werden uns plötzlich bewusst: Ups, haben wir dem Ohm überhaupt eine echte Chance gegeben? Offensichtlich nicht. Denn die Wahrnehmung folgt der Aufmerksamkeit. Und all unsere Aufmerksamkeit haben wir darauf gelegt, dass man mit dem Ohm eben nicht weich sichern kann.

Es gab nichts zu beweisen - doch es gab viel zu lernen!

Dank des besagten Videos haben wir zweierlei gelernt:

1) Das Mindset hat tatsächlich so viel Macht, wie wir immer in unseren Coachings behaupten. Und obwohl uns das doch eigentlich so bewusst ist, haben wir uns austricksen lassen. Vielleicht hat es also noch mehr Macht, als wir dachten?

2) Um mit dem Ohm weich zu sichern, bedarf es anderer Methoden. Über diese schreiben wir gerne in einem weiteren Blogartikel. Oder ihr kontaktiert uns, falls ihr auch mit Ohm sichert und Lust habt, diese Methoden zu lernen.

 

Seitdem wir unser Mindset überlistet haben, sichern wir übrigens sehr gerne mit dem Ohm. Denn 25 Kilo Gewichtsunterschied bringen objektive Gefahren mit sich. Wir sind eine eingespielte Seilschaft, auch ohne Ohm. Und dennoch gibt uns das Ohm jetzt ein gutes Gefühl, vor allem, wenn Máté schwere Routen klettert und bis an seine Grenzen gehen möchte. Das Sichern ist für Leni entspannter, denn das Ohm verzeiht etwas mehr Seil im System. Gleichzeitig ist es aus der tiefen Hocke natürlich mehr Arbeit für Leni. Doch das entspricht vor allem einem unserer Grundgedanken: Gleichberechtigung innerhalb des climBTeams ;).