Kürzlich hatten Máté und ich beim Klettern ein Erlebnis, das uns über die Frage nachdenken ließ, was Sicherheit beim Klettern eigentlich bedeutet. Zuerst möchte ich kurz schildern, was uns passiert ist: Wir waren in der Halle in Thalkirchen. Da wir beide Teil des „Team Sicherheit“ sind, haben wir unsere Pullis mit der entsprechenden Aufschrift getragen. Máté klettert und stürzt unerwartet in den dritten Haken. Wir haben einen großen Gewichtsunterschied, sichern mit Bauer. Ich habe den Sturz dynamisch weich gehalten – in Bodennähe nähert man sich da schon mal etwas an. Doch auch wenn ich mit dem Sturz nicht gerechnet habe, war alles jederzeit unter Kontrolle. Meine Devise beim Sichern in Bodennähe: so weich wie möglich, so hart wie nötig. Doch als Máté weiterklettert und ich zurück auf den Boden komme, höre ich eine Person neben mir sagen: „Und ausgerechnet bei euch steht ‚Team Sicherheit‘ auf dem Rücken!“ Ich konnte Entsetzen bei ihm wahrnehmen. Vielleicht darüber, dass wir unsere Sicherheit mit einem Sturz aufs Spiel setzen? Darüber, dass Máté in Bodennähe stürzt?
Ich habe mich am Wandfuß auf keine Diskussion einlassen wollen. Und dennoch hat mich dieser Satz sehr zum Nachdenken bewegt. Können wir beim Klettern tatsächlich von mehr Sicherheit sprechen, wenn wir keine Stürze herausfordern? Gibt es beim Klettern überhaupt einen sicheren Raum? Lassen sich alle Risiken vermeiden? Oder sollten wir nicht eher den Umgang mit den Risiken schulen und das Risiko optimieren, statt es zu minimieren?
Was macht eigentlich das Team Sicherheit?
Máté und Leni sind beide Mitglieder im „Team Sicherheit“ im DAV Kletterzentrum Thalkirchen. Was wir da machen? Wir kontrollieren alle vier Wochen alle Zwischensicherungen und Umlenker in der Halle auf Sicherheit. Finden wir beispielsweise durchgeschliffene Karabiner oder solche, die nicht mehr richtig schließen, tauschen wir sie aus. Außerdem sind wir zuständig, wenn sich Griffe oder Tritte drehen. Auch diese schrauben wir wieder fest, damit alle Besucher*innen in einem sicheren Umfeld klettern können.
Klettern birgt einige Risiken, die mit gesundem Menschenverstand leicht zu erkennen sind:
#1 Als Kletter*in kann ich auf den Boden fallen (das zentrale Risiko).
#2 Als Kletter*in oder als sichernde Person kann ich an die Wand prallen.
#3 Ich kann mit einem/ einer stürzenden Kletter*in zusammenprallen.
#4 Ich kann von herabfallenden Gegenständen (oder auch Personen) getroffen werden.
Alle diese Risiken stehen offensichtlich in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Sturz. Vielleicht auch deshalb die Haltung: Wenn ich nicht stürze, bin ich sicher?
Trotz dieser Risiken sind wir davon überzeugt: Klettern ist ein sehr sicherer Sport. Vorausgesetzt, wir praktizieren ihn mit einer entsprechenden Haltung. In unserer Welt ist das nicht die Haltung, Sicherheit zu erlangen, indem ich Stürze vermeide. Uns ist völlig bewusst: Es gibt Umgebungen, beispielsweise im alpinen Klettern, wo diese Devise zutrifft. Doch hier sprechen wir explizit über das Klettern in der Halle oder in gut abgesicherten Klettergärten. Dort gehören Stürze (v.a. im Vorstieg) in unseren Augen dazu. Selbst wenn ich bewusst Stürze ins Seil vermeide: Am Fels können Griffe oder Tritte ausbrechen, selbst in der Halle können sich Griffe oder Tritte drehen. Ihr kennt mittlerweile die Aufschrift auf unseren Pullis… glaubt uns, wir wissen, wovon wir hier sprechen .
Und so kann es völlig unerwartet zu einem Sturz kommen. Falls ich in einer Seilschaft unterwegs bin, in der die sichernde Person nie gelernt hat, wie man Stürze hält und keinerlei Routine darin hat, befinde ich mich in diesem Moment tatsächlich in Gefahr. Vielleicht falle ich nicht auf den Boden, doch vielleicht pralle ich hart gegen die Wand. Denn dynamisches Sichern erfordert Wissen und vor allem Übung.
Für uns wird das Klettern genau dann sicher, wenn wir uns möglichst viel mit dem Risiko auseinandersetzen, das es beim Klettern natürlicherweise gibt: Dem Sturz ins Seil. Und zwar in allen Situationen, die uns begegnen können: Nahe am Boden, seitlich versetzt zur Hakenlinie, im Überhang, mit Reibung im System, mit und ohne Gewichtsunterschied und und und…. Je mehr wir uns mit diesen Situationen auseinandersetzen, desto mehr Routine bekommen wir darin, im Moment eines vorhandenen Risikos richtig zu reagieren. Das bringt uns in die Lage, das Risiko zu optimieren – und das bedeutet eigentlich so viel wie: die Sicherheit vergrößern. Und wenn wir wissen, dass wie jedes entstehende Risiko souverän meistern und sicher agieren können, befinden wir uns tatsächlich in Sicherheit.
Eine ähnliche Einschätzung dazu finden wir auch beim dav, der schreibt: „Hallenkletterer dürfen also mit Fug und Recht behaupten, dass sie zwar eine grundsätzlich gefährliche Tätigkeit ausüben, diese aber durch ihr eigenes Handeln sicher machen. Sie gehen kontrollierbare Risiken ein.”
Wer in eine Route einsteigt, nimmt das Risiko eines Sturzes zwangsläufig in Kauf. Gleichzeitig ist der Sturz an sich lediglich das offensichtlichste Risiko. Nicht nur als Team Sicherheit, sondern auch als Klettertrainer*innen befassen wir uns viel mit den Risiken und möglichen Strategien, den Klettersport sicherer zu machen. Und so wissen wir mittlerweile: Viele Risiken beim Klettern sind absolut nicht offensichtlich. Vom überstreckten Klippen über den fahrlässigen Umgang mit Gewichtsunterschied, schludrige Ablassvorgänge bis hin zum Seilausgeben mit leicht geöffneter Bremshand beobachten wir täglich: Viele Gefahren lauern im Verborgenen. Einige Risiken können wir minimieren, indem wir Sicherheitsreserven aufbauen. Für die Risiken, die wir nicht ausschließen können, bleibt nur, sichere Verhaltensweisen dafür zu entwickeln und das Risiko damit zu optimieren. Wer sich in Sicherheit wähnt, weil er Stürze vermeidet, übersieht Entscheidendes!
Auch wenn mich der Kommentar am Wandfuß im ersten Moment irritiert hat: Ich bin dankbar darüber. Da wir uns dadurch einmal mehr Gedanken zur Sicherheit beim Klettern gemacht haben.
Du willst Dich gerne mit unserer Unterstützung mit dem Thema Sicherheit beim Klettern auseinandersetzen? Beispielsweise bei einem gemeinsamen Sturz- und Sicherungstraining? Dann freuen wir uns auf Deine Buchung!
Schreibe uns, ruf uns an, besuche uns… welcher Weg auch immer Dich zu uns führt: Wir freuen uns auf Dich!
team@climbe.de
Tel.: 01573-7810193 (Máté Matolcsi)
climbe – Analena Rischpler und Máté Matolcsi GbR
Agricolastraße 64 – München – team@climbe.de
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