Neulich in Kochel beim Frühstück in der Sonne vor dem Bus hatten wir (Aletta Bunge und Leni Rischpler von climBe) mal wieder einen spannenden Austausch übers Klettern. Wir haben darüber gesprochen, was es eigentlich bedeutet, „besser zu klettern“. Und woher all der Leistungsdruck kommt, den sich so viele beim Klettern machen. Und weil der Austausch für uns sehr bereichernd war, haben wir ihn für euch niedergeschrieben. Viel Spaß beim Lesen!
Aletta: Mir ist aufgefallen, dass das Thema Leistung unter KletterInnen enorm ist. Ich moderiere ja die facebook Gruppe für Frauen. Beim Eintritt frage ich die Mädels nach ihrer Motivation und nach ihren Fragen. Was mir dabei aufgefallen ist: Der Großteil der Kletterinnen, die weniger als 2 Jahre klettern, beschäftigt fast alle die gleiche Frage: Wie kann ich besser werden? Und ich kann da einerseits gut mitgehen. Ich weiß noch, wie das bei mir am Anfang war. Ich bin auch sehr motiviert, auch auf schwerer Touren. Und gleichzeitig spiegelt sich darin so – wie ich finde – das Thema unserer Gesellschaft… Leistung…
Die meisten von uns betreiben das Klettern doch als – wenn auch oft sehr ambitioniertes – Hobby. Und dabei sollte es doch vor allem darum gehen eine gute Zeit und Spaß zu haben. Besser wird man dann ganz von allein.
Leni: Ja, ich nehme das auch wahr. Und vielleicht müssen wir uns ja ganz zu Beginn erst eimal die Frage stellen: Was bedeuet es überhaupt „besser zu klettern“? Woran machen wir das fest? Da es beim Klettern ein nummerisches System für die Schwierigkeit von Routen gibt, übertragen wir das oft auf unsere Leistungen. Klettern wir also „besser“ wenn wir an einem Tag eine 9- durchsteigen, die wir davor nicht geschafft haben? An manchen Tagen macht sich in mir das Gefühl breit, ich würde besser klettern, während ich Routen klettere, die ich IMMER schaffe. Dann kann es also nicht daran liegen, dass ich gerade etwas für mich besonders schweres klettere. Und dann wird mir bewusst: Beim Thema besser klettern geht es nicht um Zahlen. Sondern um Gefühle beim Klettern und Vorgänge, die im Kopf passieren. Weißt Du, was ich meine?
Aletta: Ja total! Die Graddiskussionen sind eh eine Sache für sich… Grade sind teilweise so individuell… was einem besser liegt, was nicht, wie groß oder klein man ist und was man gewöhnt ist. Und trotzdem vergleichen wir uns auf Basis dieser Skala. Das Thema Vergleich ist dabei, glaube ich, genau die Crux… Wir sind so darauf ausgerichtet uns mit anderen zu vergleichen, dass wir das auch beim Klettern quasi automatisch tun. Aber beim Vergleich können wir nur verlieren. Es wir IMMER jemanden geben, der etwas besser kann. Und überhaupt sind wir alle so unterschiedlich, wieso vergleichen wir uns da andauernd?
Ich denke auch, für mich war ein Klettertag besonders dann wertvoll, wenn ich präsent war. Wenn ich es geschafft habe in den Flow zu kommen, mich in mir und meinem Körper und mit den Bewegungen gut zu fühlen. Wenn ich im Kopf relativ befreit unterwegs war und den Wind in den Haaren genießen konnte und einfach mit positiven tollen Menschen eine gute Zeit hatte. Am besten natürlich mit anschließendem Eis und Lagerfeuer 😀
Und dazu braucht es oft keine superschwere Tour. Besonders in den Graden, die ich gut beherrsche kann der Fokus mehr auf die Bewegungen gehen und aufs genießen. Ich mag beides :).
Leni: Das sehe ich ähnlich… Die Gesellschaft ist auf jeden Fall ein super wichtiger Aspekt!
Ich hatte das Glück (in meinen Augen empfinde ich es als Glück), von Anfang an einen Kletterpartner mit sehr viel Erfahrung zu haben. Und der sagte von Beginn an zu mir: „Vergiss die Zahl, die da unten steht.“ Ehrlich gesagt habe ich das am Anfang nicht so ganz verstanden. Die Zahlen waren für mich eine wichtige Einordnung: Kann ich das überhaupt klettern oder ist es zu schwer? Je mehr Erfahrungen ich gesammelt habe, desto mehr konnte ich verstehen, was er meinte, wenn er sagt: „Schau dir eine Route von unten an und klettere sie, wenn sie dir gefällt“. Und jetzt stimme ich ihm in den Gesprächen darüber absolut zu! Wenn wir die Bewegungen in einer Route mit Freude machen, uns dabei gut fühlen und dann noch jemanden unten stehen haben, dem wir voll vertrauen können, klettern wir von alleine „besser“, weil wir Spaß dabei haben. Es gibt so viele Dimensionen in einer Kletterroute, wie soll man diese alle in einer einzelnen Zahl ausdrücken? Deshalb ist vielleicht tatsächlich das wichtigste Kriterium: Habe ich Lust, diese Route zu klettern? Wenn ja: mach es!
Aletta: Deine Gedanken von damals kann ich schon nachempfinden. Die Grade sind ja auch sinnvoll um eine Einordnung zu kriegen, welche Touren für den Tag sinnvoll oder möglich sind und welche nicht. Gleichzeitig entstehen dadurch mental aber auch zusätzlich Grenzen. Man steckt sich selbst ganz automatisch in eine Schublade – ich bin 6a Kletterer, oder ich bin 7a Kletterin… oder, oder. Steht dann eine höherer Grad angeschrieben, ist das Mindset, mit dem man in die Tour geht, ein ganz anderes – wenn man überhaupt rein geht! Genauso umgekehrt: Wie oft fühlt man sich schlecht, wenn man in einer vermeintlich leichten Tour Schwierigkeiten hat?
Leni: Oh ja, das hatte ich erst kürzlich an der Rockywand. Ich habe nicht richtig in den Führer geschaut und dachte, die Aufwärmroute wäre eine 7-. Dann kam die erste Stelle, die mir echt schwer fiel und ich war sofort frustriert…. Als ich wieder unten war, stellte sich heraus: Es war eine 7+/8-. Plötzlich war ich weniger frustriert. Dabei war es doch genau die gleiche Route, genau die gleiche „Kletterleistung“ von mir. Eigentlich sollte eine Zahl das Gefühl darüber doch nicht so verändern.
Aletta: Absolut! Ich denke, was vielen gut tun würde, wäre ein Tag, an dem man an den Fels geht, vorab vielleicht geschaut hat, dass der Großteil der Touren im Schwirigkeitsgrad liegt, den man selbst gern klettert und dann ohne Topo einfach in die Touren einsteigt, auf die man Lust hat.
Den Fokus nur darauf legt, welche Tour gut aussieht und auf das Fühlen der Bewegungen. Einmal selbst einschätzen welchen Grad die Tour jetzt hatte….
Leni: Ja, und dann am besten auch nach dem Klettertag nicht nachschauen, welche Zahl tatsächlich unten steht ;)! Ich denke, was vielleicht auch gut tun würde, ist der Gedanke, den ich immer für die Yoga-Praxis empfehle, nämlich mit Absichtslosigkeit zu praktizieren. Beim Klettertraining ist das denke ich nicht anders. Wir können viel trainieren, sollten uns aber im Kopf von der Absicht lösen, all unser Training nur darauf auszurichten, in den nächsthöheren Grad zu kommen. Denn die Wahrnehmung folgt der Aufmerksamkeit. Und wenn wir zu viel Aufmerksamkeit auf die Grade lenken, übersehen wir vielleicht andere Aspekte, in denen wir uns verbessern. Vielleicht klettern wir befreiter, spüren die Bewegungen besser, fühlen uns stärker, etc. All das führt dazu, dass wir mehr Spaß haben beim klettern. Und am Ende führt all das vielleicht sogar dazu, dass wir in höheren Graden klettern können. Doch den Weg dorthin gehen wir so vielleicht mit mehr Freude, als wenn wir uns einfach nur auf die Grade fokussieren würden.
Aletta: Eben. Besser klettern macht sich nicht nur an den Graden bemerkbar. Sondern, wie ich finde, am meisten am eigenen Körpergefühl und Mindset. Das beste Gefühl ist doch, wenn ich mich in einer Tour, in meinem Körper und mit mir so richtig geil fühle :D. Frei, leicht, stark (körperlich und mental).
Gerade am Anfang geht es meiner Meinung nach nicht darum spezifisch irgendetwas zu trainieren. Spezifisches Training zu Beginn der Kletterkarriere ist: viel klettern.
Ich weiß noch, wie extrem vernarrt ich zu Beginn ins Bouldern & Klettern war. Klar, ich wollte auch besser werden. Aber vor allem fand ich das Tüfteln geil. Meine eigenen Grenzen auszuloten. Die vielen neuen Bewegungen. Und mich nicht damit abzufinden, wenn eine Bewegung nicht funktioniert… Herausfinden, wie es doch funktionieren kann. Mit vielen neuen Menschen in Kontakt kommen und zu merken, wie leicht dieser Sport es macht neue Menschen kennenzulernen.
Als ich 3 Monate am Bouldern war stand ich vor einem Griff einer schweren Tour und hab den einfach mal angefasst… nur um mal zu schauen und dachte mir: Wie um Himmels willen soll man sowas jemals festhalten.
Ich hab dann einfach weiter in meinen Graden rumprobiert und 3 Monate später konnte ich diesen Startgriff auf einmal halten. Ohne großartig etwas dafür getan zu haben, außer mit viel Spaß und Motivation immer wieder regelmäßig in der Halle gewesen zu sein.
Leni: Da sind wir dann also wieder beim Spaß…;) Aber weißt Du, was ich mich bei der ganzen Diskussion frage? Alle wollen besser klettern – aber wollen auch alle besser sichern? Das Sichern gehört für mich nämlich ebenso dazu. Um eine gute Kletterin zu sein, finde ich, muss ich auch eine gute Sicherungspartnerin sein. Und da tritt doch ein weiterer sehr schöner Aspekt des Kletterns zum Vorschein: Es geht eben nicht nur um einen selbst und die eigene Leistung. Beim Klettern sind wir immer als Seilschaft unterwegs. Wir können unsere KletterpartnerInnen in ihrer Kletterei unterstützen.
Schreibe uns, ruf uns an, besuche uns… welcher Weg auch immer Dich zu uns führt: Wir freuen uns auf Dich!
team@climbe.de
Tel.: 01573-7810193 (Máté Matolcsi)
climbe – Analena Rischpler und Máté Matolcsi GbR
Agricolastraße 64 – München – team@climbe.de
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