Angst und Zyklus - wie hängt das zusammen?

Endlich: Der weibliche Zyklus ist kein Tabuthema mehr im Sport. Als ich vor drei Jahren meinen ersten Blog-Artikel zu diesem Thema (Klettern im Einklang mit dem Zyklus) verfasst habe, las man das Thema noch so gut wie nirgendwo. Langsam scheint die Relevanz des Zyklusses ins Bewusstsein zu kommen – zumindest in das der Frauen. Doch wirklich viel wird nach wie vor nicht darüber geredet. Laut einer Studie “Frau im Leistungssport” sprechen nur 21% der Leistungssportlerinnen mit ihren Trainer:innen über ihre Periode. Sowohl im Frauenfußball als auch in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2024 wurden erstmals größere wissenschaftliche Untersuchungen angestellt, wie sich die Periode auf die Leistungsfähigkeit auswirkt. Was dabei auffällt: Der Fokus der Untersuchungen liegt oft auf der Periode. Doch diese ist nur eine von vier Phasen des weiblichen Zyklus. Zudem geht es häufig nur um die körperliche Leistungsfähigkeit. Wer das Thema jedoch nur aus dieser Perspektive betrachtet, übersieht einen sehr wichtigen Aspekt: die mentale Verfassung.

Zyklus und Klettern

Kurzer Einblick in die verschiedenen Phasen des weiblichen Zyklusses

Falls Du Dich schon intensiv mit den verschiedenen Phasen auseinandergesetzt hast und weißt, wie sie Deine körperliche Leistungsfähigkeit beeinflussen, kannst Du an dieser Stelle einfach weiterlesen. Falls nicht, empfehle ich Dir einen kurzen Blick in den Blogartikel Klettern im Einklang mit dem Zyklus, bevor Du hier weiterliest.

Psychische Reaktionen auf Hormonelle Veränderungen

Eines vorab: Wie Frauen ihren Zyklus wahrnehmen und wie sehr sie sich davon beeinträchtigt fühlen, ist sehr individuell. Und an dieser Stelle möchte ich nochmal betonen: Ich spreche nicht nur davon, wie Frauen ihre Periode wahrnehmen, sondern den kompletten Zyklus mit allen hormonellen Schwankungen. 

 

Ich persönlich habe Zyklusschwankungen lange Zeit nicht besonders intensiv wahrgenommen. Als ich angefangen habe, schwerer zu klettern und demnach mehr Maximalkraft aufbringen musste, ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass es in meiner Leistungsfähigkeit deutliche Schwankungen gibt. Und diese Schwankungen gibt es nicht nur in der körperlichen Wahrnehmung. Auch in meiner mentalen Verfassung habe ich deutliche Unterschiede wahrgenommen und mich deshalb mit der Frage beschäftigt, inwiefern diese mit dem Zyklus zusammenhängen können. 

Zyklus und Angst

Schlechte Stimmung vor der Periode, so genanntes PMS, mag vielen ein Begriff sein. Doch welche Rolle spielen psychische Reaktionen auf hormonelle Veränderungen beim Klettern? Aus dem Mentaltraining wissen wir, dass ein starker Kopf eine wichtige Voraussetzung ist, um gut und fokussiert zu klettern. Starke Emotionen wie Angst können für uns ein Hindernis darstellen. Deshalb befassen wir uns im Mentaltraining mit Methoden, Angst oder anderen Emotionen zu begegnen. 

 

Spannend im Zusammenhang mit dem weiblichen Zyklus: Es gibt bestimmte Phasen, in denen Angst ein typisches psychisches Symptom ist. Nämlich zum einen in der Menstruationsphase selbst, aber auch in der Phase unmittelbar davor, der Lutealphase. Neben der vielen Frauen bekannten Reizbarkeit können in dieser Phase auch verstärkt Ängste auftreten, die sich in Stresssituationen gegebenenfalls sogar in Angstzuständen äußern können. Da wir uns beim Klettern grundsätzlich der Angst stellen, kann es unsere mentale Verfassung beeinflussen, wenn die Angst in bestimmten Zyklusphasen verstärkt auftritt. Auch die Tatsache, dass in der Lutealphase zusätzlich auch unsere Maximalkraft abnimmt, kann die Angst beim Klettern verstärken. Nämlich indem wir spüren, dass wir Griffe weniger lang halten können als sonst oder dass uns bestimmte Züge schwerer fallen.

 

Wenn wir uns diese Tatsache bewusst machen, können wir gegebenenfalls für uns unerwartet auftretende Ängste besser einordnen. Ein erster wichtiger Schritt, um unsere Emotionen bewusst steuern zu können. 

Motivation im Verlauf des Zyklusses

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Motivation. Diese benötigen wir nicht nur für Trainingssessions beim Klettern, sondern gepaart mit Willenskraft auch für den Durchstieg von Routen, die wir am Limit klettern. Und auch Motivation ist nicht immer gleich Motivation im Verlauf des weiblichen Zyklusses. Die Untersuchungen der Fußballnationalmannschaft der Frauen haben gezeigt: Wettkampfwille und Trainingsmotivation sind rund um den Eisprung am höchsten. Grundsätzlich nehmen Motivation und Tatendrang mit der Follikelphase nach der Menstruation zu und gelangen in der Ovulationsphase rund um den Eisprung zum Höhepunkt. Diese Phase lässt sich bewusst nutzen, um schwere Projekte anzugehen oder intensive Trainingssessions zu absolvieren. 

 

Die Phasen im Überblick (Wahrnehmungen sind individuell, auch die Angaben zu den Tagen können je nach Frau variieren)

Kurzer Einblick in die verschiedenen Phasen des weiblichen Zyklusses

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Motivation. Diese benötigen wir nicht nur für Trainingssessions beim Klettern, sondern gepaart mit Willenskraft auch für den Durchstieg von Routen, die wir am Limit klettern. Und auch Motivation ist nicht immer gleich Motivation im Verlauf des weiblichen Zyklusses. Die Untersuchungen der Fußballnationalmannschaft der Frauen haben gezeigt: Wettkampfwille und Trainingsmotivation sind rund um den Eisprung am höchsten. Grundsätzlich nehmen Motivation und Tatendrang mit der Follikelphase nach der Menstruation zu und gelangen in der Ovulationsphase rund um den Eisprung zum Höhepunkt. Diese Phase lässt sich bewusst nutzen, um schwere Projekte anzugehen oder intensive Trainingssessions zu absolvieren. 

 

Die Phasen im Überblick (Wahrnehmungen sind individuell, auch die Angaben zu den Tagen können je nach Frau variieren)

Klettern im Einklang mit dem Zyklus

Menstruationsphase (ca. 1. bis 5. Tag): 

Physisch: Kraft nimmt zu. Ggf. Beeinträchtigung durch Menstruationsschmerzen

Psychisch: Viele fühlen sich müde und niedergeschlagen und haben ein größeres Bedürfnis nach Rückzug. Häufig tritt ein Gefühl von Angst oder sogar einer leichten Depression auf. 

 

Follikelphase (ca. 6. bis 12. Tag): 

Physisch: Kraft nimmt weiter zu, Energie steigt. In dieser Phase können große Effekte beim Muskelaufbau erzielt werden. 

Psychisch: Zunahme an Vitalität und Aktivität. Gesteigertes Selbstvertrauen. Erhöhte Motivation und Interesse, neue Dinge zu starten. 

 

Ovulationsphase (ca. 13. bis 16. Tag): 

Physisch: Peak der Leistungsfähigkeit, viel Maximalkraft.

Psychisch: Grundsätzlich positive Empfindungen, hohe Motivation und maximales Selbstvertrauen. 

 

Lutealphase (ca. 17. bis 28. Tag): 

Physisch: Der steigende Progesteronspiegel sorgt für eine allgemeine Abnahme der Energie. Viele Frauen fühlen sich kraftlos, auch an der Wand. 

Psychisch: Reizbarkeit, viele Frauen leiden unter schlechtem Schlaf, verstärkter Angst und teilweise sogar depressiven Gefühlen.

Zyklus und Wettkampf

Wer sich mit dem weiblichen Zyklus befasst, stellt schnell fest: Je nach Zyklusphase können Frauen unterschiedliche Leistungen erbringen. Treten alle Frauen unabhängig von ihrem individuellen Zyklus am gleichen Tag zu einem Wettkampf an, kann dies enorm wettbewerbsverzerrend sein. Bislang wurde dies noch kaum thematisiert. Anders ist es bei den Profikletterinnen, die besonders stark am Fels sind. Sie können ihre Durchstiegs-Versuche gezielt

nach Zyklus planen und von ihrem Leistungs- und Motivations-Peak profitieren. 

Fazit

Motivation und Angst sind sicherlich nicht die einzigen Emotionen, die durch unseren Zyklus beeinflusst werden können. Vieles passiert unbewusst und lässt sich auch nur bedingt bewusst beeinflussen. Wenn wir jedoch unsere Wahrnehmung auf die körperlichen und mentalen Symptome schärfen, können wir unser Training und teilweise auch unsere Erwartungshaltungen anpassen. Dabei geht es nicht darum, nach möglichst vielen Ausreden zu suchen. Es geht vielmehr darum, unsere Ziele an die Gegebenheiten anzupassen, um unnötigen Frust zu vermeiden.