Sicher Sichern mit der Faust-Methode

Tube-Methode, Faust-Methode oder Wächter-Methode…?!? Im letzten Blogartikel zu unserer “Hände-weg-vom-Gerät” Kampagne haben wir mit unserem Freund János bereits einige Methoden angerissen und angefangen, die Hintergründe dazu zu erklären. Bevor wir auf die einzelnen Sicherungsgeräte und ihre Eigenheiten eingehen, wollen wir die Methoden jedoch nochmal grundsätzlich erläutern und aufzeigen, was genau wir mit den unterschiedlichen Methoden eigentlich meinen und wie genau sie funktionieren. 

Warum eigentlich nicht die Daumen-Methode?

In den Bedienungsanleitungen der Hersteller von Autotubes mit Hebel steht beschrieben, dass wir zum Seilausgeben mit dem Daumen der Bremshand den Hebel des Geräts heben sollen, um es zu entblockieren. So können wir mit der anderen Hand Seil ausgeben, ohne dass der Halbautomat blockiert. Selbstverständlich betonen alle Hersteller dabei, dass die restlichen Finger der Bremshand geschlossen ums Seil bleiben müssen. Würde also alles exakt so ausgeführt werden, wie es in den Bedienungsanleitungen beschrieben ist, wäre die Methode absolut sicher. Doch bietet sie nicht viel Sicherheitsreserve. Denn das Gerät wird entblockiert. Die Finger MÜSSEN also unbedingt geschlossen bleiben. Beobachtungen zeigen: Allzu oft ist das nicht der Fall und es passiert, was auf dem Foto unten zu sehen ist. In diesem Fall besteht ein hohes Sicherheitsrisiko!

 

Seilausgeben Jul

Auch Statistiken, die wir bereits in vergangenen Blogartikeln vorgestellt haben, bestätigen, dass der Moment des Seilausgebens offensichtlich bei Autotubes mit Hebel mit hohen Risiken verknüpft ist. Denn Bodenstürze passieren oft genau im Moment des Clippens. Wir können also davon ausgehen, dass in diesem Moment Seil ausgegeben wurde.

Die 2 Haupt-Gründe, warum wir die Daumen-Methode für risikobehaftet halten, haben wir bereits erläutert.

Nun aber zur wichtigen Frage: Wenn nicht die Daumen-Methode, welche Methode denn dann

Tube-Methode - die sicherste Variante in einer idealen Welt

Am sichersten ist es, wenn wir das Sicherungsgerät beim Seilausgeben gar nicht anfassen. Wir nennen das die Tube-Methode. Denn wir verhalten uns so, als würden wir mit einem Tube sichern. Das bedeutet, dass wir das Seil mit der Bremshand und der Helferhand durch das Gerät “führen”. Ein gutes Timing aus Ziehen und Schieben ermöglicht eine Bewegung im Fluss, der Halbautomat blockiert nicht und das Seil lässt sich gut schieben. Unsere Erfahrungen in Kursen haben bisher gezeigt: Diese Methode lässt sich erstaunlich schnell selbst von Anfänger*innen umsetzen. Wichtig ist natürlich, dass das Seil ordentlich vor der sichernden Person auf dem Boden liegt, so dass es leicht aus dem Seilsack läuft. Doch klar: Es kann sein, dass unser*e Kletterpartner*in mal ruckartig am Seil zieht oder überstreckt clippt. Dann blockiert das Gerät vielleicht und wir brauchen eine Lösung, die einen Kompromiss bietet zwischen der sichersten Variante und der, die sich in der Praxis auch umsetzen lässt.

Faust-Methode - die praktikable Variante mit maximaler Sicherheit

Ok, was also tun, wenn das Gerät nun beim Seilausgeben doch blockiert? Immerhin ist und bleibt es ein Halbautomat, den wir ja gerade wegen der Blockierfunktion und der damit größeren Sicherheitsreserve nutzen. 

Das wichtige an der Faust-Methode: Die Bremshand bleibt immer als Faust geschlossen. Der Daumen ruht als Wächter über Zeigefinger und Mittelfinger (Wir nennen sie deshalb Wächter-Methode). Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Bremshand so reflexartig öffnet, ist sehr klein. 

Blockiert nun also der Autotube, bilden wir zunächst einen kleinen Seilpuffer zwischen Gerät und Bremshand. Mit der Faust, bzw. konkret mit dem Daumensattelgelenk, berühren wir dann von unten leicht den Hebel unseres Autotubes. Dadurch kippt sich das Gerät leicht nach hinten und wird entblockiert. Die Bremshand bleibt geschlossen (öffnet sich nur so minimal, dass das Seil durchlaufen kann) und permanent unterhalb des Sicherungsgeräts. Mit der Helferhand können wir die Puffer-Seilmenge schnell durch das Gerät ziehen. Sollte noch mehr Seil erforderlich sein, wiederholen wir diesen Vorgang nochmal. 

 

Zusammenfassend lässt sich sagen: Wann immer möglich, geben wir das Seil mit der Tube-Methode aus. Denn die Tube-Methode bietet uns die größte Sicherheitsreserve. Doch sie erfordert Übung, ein gutes Timing beim Seilausgeben und gute Rahmenbedingungen. Das Seil sollte ordentlich vor der sichernden Person liegen und gut aus dem Seilsack kommen, der/die Kletter*in sollte nicht ruckhaft al Seil ziehen und wann immer möglich auf Hüfthöhe clippen. In den Momenten, in denen der Autotube dennoch blockiert, greifen wir zur Faust-Methode. Diese bietet noch immer eine sehr hohe Sicherheitsreserve, ist aber weniger komplex umzusetzen wir die Tube-Methode.

Sicherungsmethoden mit Rüsselgeräten

Zweifel an der Faust-Methode? Dann lass uns noch ein Selbstexperiment machen!

Vielleicht kennst Du bereits das Selbstexperiment aus dem ersten Blogartikel. Darin geht es darum, wann sich unsere Hand schneller öffnet, mit Daumen als Wächter oder ohne. Falls nicht, kannst Du dieses Selbstexperiment kurz nachholen. Nun möchten wir Dir noch ein weiteres kleines Selbstexperiment zeigen. Mal sehen, ob Du einen Unterschied spürst: 

Am besten, Du nimmst Dir Deine*n Kletterpartner*in für dieses Experiment zu Hilfe. Falls Du ein Autotube mit Hebel hast, kannst Du es an Deinem Gurt befestigen und ein Seil einlegen. Dein Partner zieht das Seil feste nach oben, so dass das Gerät blockiert. In dieser Position verweilt er, damit das Gerät blockiert bleibt. Nun nimmst Du den Zeigefinger Deiner Helferhand, und legst ihn in Deine Bremshand, so, wie normal das Seil in Deiner geschlossenen Hand liegt. Achte nun bei beiden Bewegungen darauf, wie fest Dein Zeigefinger von Deiner Bremshand umschlossen ist

Selbstexperiment Seilausgeben

Bewegung 1: Löse die Blockierung des Geräts wie oben beschrieben mit der geschlossenen Faust bzw. mit dem Daumengrundgelenk.

Bewegung 2: Öffne Deinen Daumen und ziehe den Rüssel des Geräts mit dem Daumen nach oben, um es zu entblockieren. 

Konntest Du einen Unterschied wahrnehmen? 

Falls ja, siehst Du vielleicht die Vorteile der Faust-Methode und kannst diese in Deine Sicherungsroutine integrieren. Dann solltest Du auf jeden Fall weiter dran bleiben. Denn in den nächsten Wochen erklären wir Dir, wie Du die Faust-Methode mit den verschiedenen Sicherungsgeräten am besten anwendest und welche Risiken sich hinter der Daumen-Methode bei den einzelnen Autotubes verbergen. Unterstütze uns dabei, das Sichern ein bisschen sicherer zu machen! 

Kampagne Hände weg vom Gerät