Spür den Unterschied…! Bremsassistenten - ein aktueller Überblick

  • Welche neuen Geräte sind bereits auf dem Markt erhältlich und welche weiteren Geräte kommen bald auf den Markt?
  • Welche Seilschaften sollten einen Bremsasstistenten nutzen? 
  • Warum ist es höchste Zeit für eine Norm für Bremsassistenten? 
  • Wie können Kletter:innen den Überblick über alle Bremsassistenten behalten?
Bremsassistenten im Überblick - Klettern - Kletterschule

Mal wieder gibt es Updates auf dem Markt der Bremsassistenten/ Vorschaltwiderstände: Das OHMEGA von edelrid ist seit kurzem erhältlich (wir haben bereits ausführlich über das Ohmega berichtet). Im Januar 2026 soll mit dem Assist ein neues Gerät von Mammut erscheinen. Auch Raed climbing überarbeitet derzeit das ZAED zum ZAED pro und ZAED mini und der Bauer Espressi ist seit einiger Zeit in zwei Versionen (light und basic) erhältlich. 

Ein Blick in die kürzlich veröffentlichte Kletterhallenunfallstatistik 2024 (DAV und KLEVER) zeigt: Der Gewichtsunterschied scheint noch immer Ursache für Kletterunfälle zu sein. In einem Fall verletzte sich die sichernde Person durch einen harten Anprall an der Wand (vermutlich war sie leichter als die kletternde Person). In drei Fällen kam es zu einer Kollision zwischen Kletterer:in und Sicherer:in, bei der sich alle Beteiligten verletzten. Dies kann in Bodennähe auch bei Seilschaften mit gleichen Gewichtsverhältnissen passieren, das Risiko bei Gewichtsunterschieden ist jedoch deutlich größer.

Ein (großer) Gewichtsunterschied ist heute ein Risiko, das sich gut und leicht minimieren lässt. Waren einst Seilsack oder Reibungsclip die einzigen Möglichkeiten, bietet der Markt der Bremsassistenten wie eingangs erwähnt heute ein umfangreiches Angebot für verschiedene Gewichtskonstellationen. In den letzten Jahren hat sich in der Geräteentwicklung so viel getan, dass es für einige Hobby-Kletter:innen schon fast unübersichtlich geworden ist. 

Welche Seilschaften sollten überhaupt einen Vorschaltwiderstand nutzen? Welche Eigenschaften müssen gute Geräte erfüllen? Und warum ist es derzeit für Kletter:innen schwierig, den Überblick zu behalten? Bevor wir uns in unserem nächsten Blogbeitrag den einzelnen Bremsassistenten zuwenden, möchten wir in diesem Beitrag ein paar grundlegende Gedanken vorwegschicken, die dem allgemeinen Verständnis für Vorschaltwiderstände und deren möglichen Einsatz dienen. 

Wanted: Einheitliche Norm - Unterschiedliche Angaben der Hersteller erschweren den Überblick

Wer auf der Suche nach einem passenden Bremsassistenten ist, stößt schnell auf eine Herausforderung: Die Angaben der Hersteller zum zulässigen Einsatz unterscheiden sich enorm. Manche Hersteller geben ein Gewichtsverhältnis an (z.B. 1:2), andere geben den maximalen Gewichtsunterschied in kg an. Und auch hier sind die Angaben nicht einheitlich: Während beispielsweise edelrid beim OHM 2 das Gewicht in kg angibt, das tatsächlich durch die Seilbremse kompensiert wird, gehen andere Hersteller davon aus, dass über das reine Kompensationsgewicht ein Rest bei der sichernden Person ankommen darf. Somit liegen die angegebenen Werte deutlich höher, was jedoch nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Geräte auch tatsächlich mehr Gewicht kompensieren.

Klingt kompliziert? Ist es momentan auch noch! Deshalb ist es höchste Zeit, dass sich eine UIAA-Arbeitsgruppe mit Vorschaltwiderständen auseinandersetzt, um eine gemeinsame Norm zu entwickeln.

Kompensation oder maximal zulässiger Gewichtsunterschied - auf welche Angabe ist Verlass?

In unseren Augen ist die wichtigste Angabe für ein Gerät die reine Gewichtskompensation. Das bedeutet konkret: In einer Seilschaft besteht ein Gewichtsunterschied von 25 Kilo. Sie nutzen ein Gerät, das 20 Kilo kompensiert. Bei der sichernden Person bleiben 5 Kilo Gewichtsunterschied, die spürbar ankommen. 

Uns ist bewusst, dass es für ein Gerät nicht einen einzigen Kompensationswert gibt. Krafteinwirkung, Ausgangsgewicht, Seildurchmesser, zusätzliche Reibung im System – viele Faktoren haben Einfluss auf diese Zahl. Dennoch würde eine unter gleichen Bedingungen gemessene Gewichtskompensation aller Geräte Anhaltspunkte liefern, welche Geräte mehr Gewicht kompensieren und sich somit für größere Gewichtsunterschiede eignen und welche wegen einer geringeren Gewichtskompensation eher für kleinere Gewichtsunterschiede geeignet sind. Es wäre wünschenswert, wenn im Zuge der UIAA-Norm ein einheitliches Testverfahren festgelegt wird, das einen Vergleichswert über alle Geräte hinweg ermöglicht. Einige Geräte haben wir unter gleichen Bedingungen bei edelrid getestet. Bei anderen Geräten sind wir aktuell auf die Angaben der Hersteller zu den Kompensationswerten oder auf unsere eigenen “Erfahrungswerte” aus der Praxis angewiesen. 

Reicht es, wenn Bremsassistenten bremsen?

Seitdem es die ersten Vorschaltwiderstände gibt, haben wir uns bei climBe viel mit den Geräten auseinandergesetzt. Wir durften viele Geräte testen, bevor sie auf den Markt kamen und waren im engen Austausch mit allen Herstellern. Einige Zeit lag die oberste Priorität der Hersteller auf einer starken Bremskraft, um Kollision und Bodensturz zu vermeiden. Wir haben die Geräte von Beginn an daraufhin getestet, wie sehr sie einen dynamischen Bremsvorgang zulassen. Bei der Entwicklung der neueren Geräte wurde diesem Aspekt eine immer höhere Bedeutung beigemessen. Das zeigt sich auch in der Namensgebung. Sprach man früher noch von Vorschaltwiderständen, bezeichnen die Hersteller sie heute als Sicherungsassistenten oder Bremsassistenten. 

In unseren Augen sind folgende 4 Eigenschaften die wichtigsten, die Seilbremsen erfüllen müssen (Priorisierung entsprechend der Reihenfolge): 

 

#1 Zuverlässige Kompensation von Gewichtsunterschieden

Diese Eigenschaft ist naheliegend, denn genau dafür sind Vorschaltwiderstände entwickelt worden. Ziel mit oberster Priorität von Bremsassistenten ist es, einen gewissen Gewichtsunterschied zu kompensieren, um Risiken wie Kollision oder ein zu starkes Hochziehen der sichernden Person zu vermeiden. Auch das Handling beim Ablassen ist für die leichtere sichernde Person deutlich angenehmer, wenn sie nicht den vollen Gewichtsunterschied zu spüren bekommt. 

 

#2 Dynamisches Bremsverhalten

Anprallverletzungen an der Wand gehören noch immer zu einer häufigen Unfallursache beim Klettern. Die Folge sind meist Verletzungen an den Füßen oder Beinen, manchmal auch am Rumpf oder am Kopf. Dynamisches und weiches Sichern minimiert das Risiko von Anprallverletzungen. Das erfordert Kompetenz bei der sichernden Person. Je leichter die kletternde Person im Vergleich zur sichernden Person ist, desto mehr Kompetenz für weiches Sichern ist erforderlich. Doch Moment – geht es bei Vorschaltwiderständen nicht genau um den Gewichtsunterschied in die andere Richtung? Auch der Einsatz von Bremsassistenten erhöht die Anforderungen an die sichernde Person. Denn es kann sein, dass durch die Gewichtskompensation die Gewichtsverhältnisse umgedreht werden (kletternde Person fühlt sich plötzlich leichter an). Zudem ist der zwischengeschaltete Vorschaltwiderstand meist spürbar, die Kräfteverhältnisse wirken nicht so unmittelbar wie ohne Bremsassistent, selbst wenn die kletternde Person auch nach Gewichtskompensation schwerer bleibt. Um Verletzungen zu vermeiden, ist es wichtig, dass Seilbremsen ein dynamisches Mitgehen ermöglichen. Je intuitiver dies möglich ist, desto besser eignet sich das Gerät in unseren Augen für den Breitensport.

 

#3 Seilzug darf nicht beeinträchtigt sein

Kaum jemand mag das Gefühl, wenn das Seil beim Versuch zu clippen nicht flüssig kommt. Solange die sichernde Person dafür verantwortlich ist, helfen ehrliches Feedback und Übung beim Seilausgeben. Doch beim Einsatz von Bremsassistenten kann auch diese dazu beitragen, dass das Seil nicht flüssig kommt. Je nach Situation und Erfahrung der kletternden Person kann dies zu Risikosituationen führen.

 

#4 Bremskraft bereits beim Sturz ins Gerät

Es gibt Situationen in der Halle, bei denen auf die Bremskraft beim Sturz ins Gerät verzichtet werden kann. Beispielsweise kann der Bremsassistent eingehängt und die zweite Zwischensicherung mit Hilfe einer leichteren Route vorgeklippt werden. Am Fels wird es ohne Clipstick da schon schwieriger. Grundsätzlich sehen wir ein Risiko darin, wenn eine Bremsassistenten nicht beim Sturz ins Gerät bremst. Wer das von anderen Geräten gewohnt ist, hinterfragt diese Eigenschaft vielleicht gar nicht erst und schätzt die Situation beim Sichern folglich falsch ein. 

Weitere Faktoren wie Größe oder Gewicht spielen in unseren Augen vor allem in der Halle oder auch beim Sportklettern am Fels eine eher geringe Rolle. Anders ist es sicherlich beim Alpinklettern. Wir beziehen unsere Aussagen jedoch vor allem auf das Sportklettern (Halle oder Fels). 

Ab wie viel Kilo Gewichtsunterschied ist ein Bremsassistent sinnvoll?

Auch diese Frage ist ohne eine gewisse Komplexität nicht zu beantworten. Kursierten früher noch Empfehlungen von bis zu 20 Kilo Gewichtsunterschied, sind die Angaben hier deutlich konservativer geworden. Handelt es sich hierbei um Marketing, um die Bremsassistenten zu bewerben, die auf den Markt kamen? Vermutlich kommt es eher aus der Entwicklung, dass Stürze beim Sportklettern im Gegensatz zu früher üblicher wurden und damit das Verletzungsrisiko bei einem Gewichtsunterschied angestiegen ist. Der DAV empfiehlt in einem Beitrag in der Panorama einen Gewichtsunterschied von maximal 10 Kilo. Darüber hinaus sind Maßnahmen zu ergreifen (beispielsweise Sandsack, Reibungsclip oder eben der Einsatz von Bremsassistenten). Wir bei climBe ziehen einen weiteren Aspekt bei Empfehlung nach dem maximalen Gewichtsunterschied in Betracht: Das gewohnte Sicherungsverhalten der sichernden Person (wir nennen das Sicherungspattern und haben einen ausführlichen Blogartikel darüber geschrieben). Sichert eine Person beispielsweise die meiste Zeit sehr leichte Personen, kann ein ausgeprägter Reflex ausgebildet sein, im Falle eines Sturzes stark mitzugehen. In diesem Fall kann der Einsatz einer Seilbremse schon bei weniger Gewichtsunterschied empfehlenswert sein. Dann kann die Person besser entsprechend ihrer Gewohnheiten sichern. 

Welches Gerät eignet sich nun für welche Seilschaft?

Wenn Du bis hierhin gelesen hast, wirst Du nicht überrascht sein, dass auch diese Antwort komplex ist ;). Zwei Aspekte, welche die Empfehlung für eine bestimmte Seilbremse beeinflussen, haben wir in diesem Beitrag bereits angesprochen: Der Gewichtsunterschied innerhalb der Seilschaft sowie das gewohnte Sicherungsverhalten der sichernden Person. Ein weiterer Aspekt sind die individuellen Bedürfnisse der Seilschaft. Als Klettertrainer:innen begleiten wir Seilschaften vom Anfängerstadium (Topropekurs und Vorstiegskurs) über fortgeschritten (Sturz- und Sicherungstrainings, Mentales Training, Individuelle Klettercoachings) bis hin zu sehr fortgeschritten (Sturz- und Sicherungstrainings in Bodennähe, etc.). Wir haben in diesem Zuge die sogenannte Kompetenzpyramide entwickelt. Sie zeigt, wie sich durch zunehmende Erfahrung und damit oft einhergehend auch zunehmender Sturzbereitschaft die Risiken für die Seilschaft verschieben.

Die Kompetenzpyramide veranschaulicht vereinfacht, dass mit zunehmender Sturzbereitschaft weitere Risiken beim Klettern entstehen. Sie soll keinesfalls ausdrücken, dass es bei erfahrenen Seilschaften keine Verletzungen des Bremshandprinzips gibt oder nicht auch Anfängerseilschaften eine hohe Sturzbereitschaft zeigen. Dennoch lässt sich in Bezug auf Bremsassistenten festhalten: Je mehr Stürze zur Kletter-Routine gehören, desto wichtiger ist die Anforderung an das Gerät, dass es einen dynamischen und weichen Bremsvorgang ermöglicht, um Anprallverletzungen zu vermeiden. 

Lange Vorrede mit welchem Sinn?

Du möchtest eigentlich nur wissen, welches Gerät für Deine Seilschaft das passende ist und wunderst Dich über eine so lange Vorrede? Wir wollen das Thema keineswegs komplizierter machen, als es ist. Doch auch wenn es hoffentlich im Zuge der UIAA-Norm bald eine einheitliche Angabe für die Kompensationswerte gibt, bleibt beim Thema Bremsassistenten eine gewisse Komplexität. Ähnlich wie Halbautomaten tragen sie dazu bei, Risiken beim Klettern zu minimieren. Am Ende liegt es jedoch in der Verantwortung der sichernden Person, die Geräte so einzusetzen, dass die Risiken wirklich minimiert sind. Bei Halbautomaten gibt es unabhängig von der individuellen Seilschaft konkrete Aspekte, die es zu beachten gilt – Das Wichtigste ist das Bremshandprinzip. 

Bremsassistenten kommen in individuell sehr unterschiedlichen Situationen zum Einsatz, was keine allgemeingültige Sicherungsempfehlung zulässt. 

Je mehr Gewicht ein Gerät kompensiert, desto geringer wird das Risiko für einen Zusammenprall oder ein heftiges Hochschleudern der sichernden Person. Im gleichen Zuge steigt das Risiko für einen harten Anprall an der Wand. Je nach Gewichtsverhältnissen muss deshalb nicht nur ein Gerät mit passender Gewichtskompensation ausgewählt werden. Auch die sichernde Person muss ihr Sicherungsverhalten anpassen. Die Hersteller haben auf diese Herausforderung reagiert und Geräte entwickelt, die verschiedene Einstellungen von mehr und weniger Kompensation zulassen. Dennoch gilt bei Bremsassistenten: Es gibt kein “one Size fits all”. Es kann durchaus sinnvoll sein, mit verschiedenen Seilpartner:innen unterschiedliche Geräte zu verwenden. 

Im nächsten Blogbeitrag geben wir einen Überblick über die verschiedenen Geräte, die es aktuell auf dem Markt gibt oder die bald erhältlich sein werden. 

... spürst Du schon den Unterschied?

Du möchtest die unterschiedlichen Bremsassistenten gerne testen und herausfinden, welches der Geräte am besten für Deine Seilschaft geeignet ist? Vereinbare gerne einen Termin mit uns. Wir zeigen dir die verschiedenen Bremsassistenten und erklären Dir, worauf Du für einen sicheren Einsatz achten musst. Am besten nutzt Du direkt das Kontaktformular auf dieser Seite. Wir freuen uns auf Deine Nachricht!