Was hat weiches Sichern mit Verhaltenspsychologie zu tun? Und warum kann es sinnvoll sein, bei einem 1:1 Gewichtsverhältnis in der Seilschaft eine Seilbremse zu nutzen? Du möchtest gerne die Antworten auf diese Fragen wissen? Dann solltest Du unbedingt diesen Blogartikel lesen!
Ok, dass weiches Sichern viel mit Physik und Mathematik zu tun hat, ist sicherlich bekannt. Hier wirken unterschiedlich starke Kräfte auf verschiedene Massen. Mal kommt es zu linearen Flugbahnen, mal müssen wir Pendelflugbahnen vorsehen und „berechnen“. Doch was hat weiches Sichern mit Psychologie zu tun?
Die Antwort liegt in unserem Lernprozess und den Auswirkungen, den dieser auf unser Verhalten hat.
Wir gliedern den Lernprozess in vier Phasen:
Phase 1: Unbewusste Inkompetenz
Phase 2: Bewusste Inkompetenz
Phase 3: Bewusste Kompetenz
Phase 4: Unbewusste Kompetenz.
Die vier Lernphasen klingen vielleicht zunächst kompliziert, lassen sich jedoch am Beispiel weiches Sichern leicht erklären.
Stellen wir uns eine Seilschaft vor, die das Sichern im Vorstieg lernt. Sie haben sich noch keine Gedanken darüber gemacht, was bei einem Sturz passiert und wie die sichernde Person reagieren sollte. Demnach haben sie eine unbewusste Inkompetenz. Sie sind sich über den ganzen Prozess des Stürzens und der Relevanz von Dynamik beim Sichern noch gar nicht bewusst. Bevor wir im Kurs mit dem Stürzen beginnen, fragen wir die Teilnehmenden gerne, was sie beim Sichern intuitiv tun würden. Die Antwort ist oft diese: „Ich ziehe fest am Seil und gehe nach hinten, damit mein:e Partner:in nicht weit fällt.“ Wenn wir daraufhin die Notwendigkeit des weichen Sicherns erläutern, durchlaufen die Teilnehmenden den Schritt von der unbewussten zur bewussten Inkompetenz. Sie erkennen: Ok, hier gibt es offensichtlich einiges zu lernen und ich muss üben, um das richtige Timing für dynamisches Sichern zu erlernen. Mit Übung, im Idealfall bei einem ausgiebigen Sturz- und Sicherungstraining, eignen sich die Seilschaften nach und nach bewusste Kompetenz an. Sie lernen, wie sie in welcher Situation handeln sollten: bei einem Sturz direkt an der Zwischensicherung, weit darüber, weit daneben mit Pendelgefahr etc. Je mehr sie üben und vor allem, je mehr Erfahrungen sie in den einzelnen Situationen sammeln, desto mehr geht die bewusste Kompetenz in unbewusste Kompetenz über. Vielleicht kennst Du dieses Gefühl: Deine Kletterpartnerin ist in einer wackeligen Situation, ein Fuß rutscht ab und Du rechnest mit einem Sturz. Wie ein Wunder hält sie sich dann doch. Trotzdem spürst Du, dass deine Füße ganz unbewusst zu einem leichten Sprung angesetzt haben. Unbewusst und sekundenschnell hat Dein Gehirn weitergeleitet, dass Dein Körper jetzt einen Sturz weich abfangen muss.
Unbewusste Kompetenz ist ein wichtiger Schritt im Lernprozess und ermöglicht es unserem Gehirn, Entscheidungen zu treffen, ohne jede Situation bewusst analysieren zu müssen. In der Evolution hat sich dies als sehr hilfreich erwiesen, denn häufig haben wir nicht viel Zeit, um Entscheidungen bewusst abzuwägen. So auch beim Sichern eines Sturzes. Meist geht alles sehr schnell und vor allem in unerwarteten Sturz-Situationen (ein Tritt bricht aus, plötzliches Abrutschen mit dem Fuß etc.) handeln wir – vorausgesetzt wir verfügen über die nötige Erfahrung – oft unbewusst. Diese intuitiven Verhaltensweisen, die auf unbewusste Kompetenz zurückzuführen sind, nennen wir in unserem Kontext „Sicherungs-Pattern“.
Neben vielen Vorteilen, die unbewusste Kompetenz bringt, birgt sie beim Thema weiches Sichern auch ein gewisses Risiko: Unterschiedliche Gewichtsverhältnisse in den Seilschaften erfordern unterschiedliche Reaktionen. Stell Dir vor, eine Person sichert in 90% der Fälle seine deutlich leichtere Partnerin. Um diese weich zu sichern, benötigt er viel Körperdynamik gepaart mit Sensorhand. Sein Sicherungs-Pattern demnach: viel Körperdynamik, starkes Mitgehen. Ab und zu klettert die Person jedoch auch mit seinem Kumpel, der 5 Kilo mehr wiegt als er. Ein Gewichtsunterschied, der laut Lehrmeinung keine Seilbremse erfordert. Das Sicherungs-Pattern der Person kann jedoch dazu führen, dass es zu kritischen Situationen kommt, da bestimmte Verhaltensweisen in überraschenden Situationen eben unbewusst ablaufen. Mögliche Folgen: Zu starkes Mitgehen in Bodennähe oder auch bei Stürzen, bei denen ohnehin schon hohe Kräfte wirken.
Am eben beschriebenen Verhalten kommen wir zurück zur Frage, warum es sinnvoll sein kann, bei einem Gewichtsverhältnis von 1:1 eine Seilbremse zu nutzen. Der Markt der Seilbremsen hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt und wird dies wohl auch zukünftig tun. Edelrid hat mit dem OHMEGA ein neues Gerät mit einer ganz neuen Funktionsweise angekündigt und auch Mammut steht in den Startlöchern. Heute gibt es Geräte, mit denen dynamisches Sichern deutlich leichter ist (ZAED, Bauer light), als dies vor einigen Jahren mit den ersten Geräten der Fall war. Je nach Sicherungs-Pattern kann es also sinnvoll sein, Seilbremsen auch bei sehr wenig bis gar keinem Gewichtsunterschied zu nutzen.
Beispiele aus unserer eigenen Praxis und der Kurserfahrung:
Máté klettert viel mit leichteren Personen und ist meist gefordert, die Stürze mit sehr viel Dynamik abzufangen (und an dieser Stelle mal ein Kompliment an Máté: Unsere 25-30 Kilo Gewichtsunterschied werden stets butterweich abgefedert!). Deshalb nutzt Máté auch bei Personen, die gleich schwer sind wie er, ein ZAED. Denn: Es fällt ihm schwer, seine unbewusste Kompetenz des dynamischen Mitgehens in diesen Fällen bewusst zu unterdrücken. Und da sich die Seilbremsen deutlich verbessert haben und dynamisches Sichern ermöglichen, sichert er auch gleich schwere Personen lieber mit Seilbremse und seiner habitualisierten Dynamik.
Ebenso haben wir erlebt, dass beispielsweise das ZAED, das laut unseren Messungen bei edelrid lediglich 10 Kilo kompensiert, für Seilschaften mit deutlich größerem Gewichtsunterschied dann geeignet ist, wenn die sichernde Person ein sehr passives Sicherungs-Pattern hat. Ist die sichernde Person hingegen gewohnt, Stürze sehr dynamisch zu sichern, empfehlen ein Gerät, das mehr Gewicht kompensiert. Dieses passt dann besser zum Sicherungs-Pattern.
Unbewusste Kompetenz kann unser Gehirn dabei unterstützen, schnell Entscheidungen zu treffen. Beim Thema Weiches Sichern können unbewusste Kompetenzen jedoch auch trügerisch sein, da sie nicht auf alle Gewichts-Konstellationen passen. Im ersten Schritt ist es wichtig, sein eigenes Sicherungs-Bias zu kennen und sich dessen besonders in Situationen bewusst zu machen, in denen gegebenenfalls andere Verhaltensweisen erforderlich sind (z.B. bei umgekehrten Gewichtsverhältnis). In manchen Fällen können moderne Seilbremsen unterstützend wirken und ein Plus an Sicherheit bringen. Dennoch bleiben Seilbremsen immer nur eine Unterstützung. Die Verantwortung für den Sicherungsprozess tragen wir als Menschen. Dessen müssen wir uns immer bewusst bleiben – auch bei unbewussten Verhaltensmustern.
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climbe – Analena Rischpler und Máté Matolcsi GbR
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