Oh, mega, das neue OHMEGA!

Schon wieder kündigt sich eine neue Seilbremse auf dem Markt an. Im Namen versteckt sich sein Vorgänger. Und vielleicht auch eine Wertung? OHMEGA. Obwohl der Vorgänger im Namen steckt, ist das Gerät laut edelrid explizit keine nächste Generation des OHMs. Warum? Während bei der Entwicklung des OHMs der Gewichtsunterschied im Vordergrund stand, wurde beim OHMEGA auf den kompletten Sicherungsprozess geschaut. Und da gehören Soft Catches, eine möglichst geringe Seilreibung für die kletternde Person, Komfort für die sichernde Person und vieles mehr dazu. Genau mit diesen Themen hat sich climBe in den letzten Jahren viel auseinandergesetzt. Immer wieder haben wir die verschiedenen Seilbremsen getestet und uns mit den Herstellern dazu ausgetauscht. Die Intension von edelrid, mit dem OHMEGA einen Sicherungsassistenten und keine reine Seilbremse entwickelt zu haben, klingt für uns also super spannend. Umso mehr haben wir uns gefreut, dass wir das OHMEGA schon jetzt unter die Lupe nehmen und mit verschiedenen Gewichts-Konstellationen testen durften. 

Die wichtigsten Fakten vorab:

Das OHMEGA ist kleiner und mit 170 Gramm deutlich leichter als seine Vorgänger. Auf dem Foto der drei Generationen ist der Größenunterschied deutlich sichtbar. 

3 Generationen, Ohm, Ohm 2 und Ohmega von edelrid
Drei Generationen: Ohm, Ohm 2 und Ohmega

Zudem hat das OHMEGA einen wirklichen Vorteil im Gepäck: Es lässt sich in drei verschiedenen Stufen nutzen, für geringen über mittleren bis hin zu hohem Gewichtsunterschied. Dafür wird die integrierte Dyneema-Schlaufe, mit der das Gerät im Karabiner hängt, je nach Gewichtsverteilung entweder in die eine oder in die andere Richtung gezogen. Für die mittlere Stufe wird der Karabiner in beide Enden der Schlaufe gleichzeitig eingehängt. Dadurch verändert sich der Winkel des Geräts und es kompensiert entweder mehr oder weniger Gewicht. Im Ergebnis: Je höher die Stufe, desto höher kann der Gewichtsunterschied sein. Schon nach wenig Verwendung lässt sich sagen, dass die Dyneema-Schlaufe vermutlich regelmäßig ausgetauscht werden muss, vor allem, wenn das Gerät viel in Verwendung ist. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass der Seilverlauf nah an der Schlaufe ein Sicherheitsrisiko darstellen könnte. 

Die drei Stufen beim Ohmega
Das Ohmega lässt sich in drei verschiedenen Stufen verwenden.

In unseren Augen ist dieses Feature deshalb ein klarer Vorteil. Denn aktuell nutzen wir für verschiedene Gewichtsverteilungen verschiedene Geräte. Einen ersten Ansatz mit unterschiedlichen Stufen gab es auch beim ZAED. Allerdings kompensiert das Gerät insgesamt deutlich weniger Gewicht (nur 10 Kilo auf Stufe 2), weshalb wir das Gerät grundsätzlich nur für Seilschaften mit bis zu 15 Kilo Gewichtsunterschied empfehlen (bei sehr passiven Sicherungs-Pattern bis maximal 20 Kilo). 

OHMEGA: Funktionsweise und Handling

Das OHMEGA bremst zuverlässig ab, auch wenn die kletternde Person direkt ins Gerät stürzt.

Das Seil Einlegen funktioniert sehr einfach und intuitiv. Es ist sogar mit einer Hand möglich. So kann theoretisch zuerst das geöffnete Gerät in die Zwischensicherung (Maillon) eingehängt werden und im zweiten Schritt das Seil. Bewährte Methoden, in denen das Seil bereits ins Gerät eingelegt wird und am Klettergurt bis zur ersten Zwischensicherung transportiert wird, sind natürlich ebenso möglich. 

Öffnen wir das OHMEGA, sehen wir, dass es – anders als bisherige Seilbremsen – nicht ausschließlich mit Bremsgeometrie funktioniert, sondern mit einer Zweistufigkeit. Es verfügt über einen beweglichen Hebel (Klemmnocke), der über eine Feder gesteuert wird. Im Falle eines Sturzes bewegt sich das Gerät mittels Bremsgeometrie nach oben. Damit wird der integrierte Hebel aktiviert und erzeugt zusätzliche Reibung (Bremsmechanik). Die integrierte Feder sorgt dafür, dass das Gerät sofort wieder deaktiviert ist, wenn kein Zug mehr im System ist. In unseren Tests hat das sehr gut funktioniert. 

Bremsmechanik OHMEGA edelrid
Eine über eine Feder gesteuerte Bremsnocke sorgt neben der Bremsgeometrie für eine Bremsmechanik. Die Bremsung funktioniert also als zweistufiger Prozess.
Mittels Bremsgeometrie wird die Bremsmechanik aktiviert und erhöht damit die Reibung im System.
Ohmega edelrid neue Seilbremse
Neutrale Stellung OHMEGA
Ohmega aktiviert
OHMEGA in der aktivierten Stellung

Außerdem im Gerät: Eine bewegliche Rolle, die für eine geringe Seilreibung für die kletternde Person sorgt und auch schnelles Clippen ermöglicht, ohne das Gerät auszulösen. Unser Fazit aus dem Praxistest: Es ist kein Seilzug bei der kletternden Person spürbar. 

Integrierte Rolle OHMEGA

Weiches Sichern mit dem OHMEGA - Der Praxistest

Wie gut, dass wir in unserem “Test-Team” aus Leni und Máté von climBe und János von “Die Kletterschule” so unterschiedliche Gewichtsverteilungen mitbringen. Deshalb zunächst die Fakten auf den Tisch: 

Kletterschule Team Leni
Leni wiegt 53 Kilo.
János wiegt 65 Kilo.
Klettertrainer München Máté Matolcsi
Máté wiegt 80 Kilo.

Wir testen das OHMEGA in der Halle. In all unseren Tests probieren wir Stürze mit wenig Krafteinwirkung (unterhalb der geclippten Exe) bis hin zu hoher Krafteinwirkung (1 Meter oberhalb der letzten geclippten Exe). 

Was ist uns wichtig: 

#1 Lassen sich die Stürze weich und dynamisch sichern? 

#2 Wie viel Wissen und Kompetenz ist erforderlich, um die Stürze weich und dynamisch zu sichern? 

Was bedeutet überhaupt “weich”? Uns ist bewusst, dass die Empfindung über einen weichen Sturz sehr subjektiv ist. Deshalb haben wir schon oft die tatsächlichen Kräfte gemessen, die bei Stürzen auf die kletternde Person einwirken. In diesem Fall haben wir unser subjektives Empfinden zur Beurteilung herangezogen. Auf einer Skala von 1 (sehr hart) bis 5 (perfekt weich) haben wir uns gegenseitiges Feedback gegeben. Bei einer Bewertung zwischen 1 und 2 sehen wir potenzielle Verletzungsgefahr durch einen zu harten Aufprall an der Wand. 3 ist im grünen Bereich, fühlt sich jedoch für die kletternde Person nur mäßig angenehm an. 4-5 wünschen wir uns als Kletternde als Standard für unsere Kletter-Sessions. 

Test 1: Leni sichert János

(12 Kilo Gewichtsunterschied, 65 Kilo Gewicht Kletterer)

OHMEGA Stufe 1

Lassen sich die Stürze weich und dynamisch sichern? 

Je weniger Kräfte beim Sturz wirken, desto weniger Gewicht kommt bei Leni als sichernde Person an. Logisch, das ist auch ohne Seilbremse der Fall. Doch mit der zusätzlichen Seilbremse verstärkt sich diese Empfindung natürlich. Fällt János also unterhalb der letzten geclippten Exe, spürt Leni so gut wie kein Gewicht, was ein reines körper-dynamisches Mitgehen erschwert. Passieren die Stürze weiter oberhalb der letzten geclippten Zwischensicherung, kommt mehr Gewicht bei Leni an und das körper-dynamische Mitgehen fällt leichter. Insgesamt fühlt es sich bei Leni so an, dass János mit OHMEGA leichter ist als sie. 

Bewertungen der Stürze durch János: 3,5-4,5

Wie viel Kompetenz/ Wissen ist notwendig? 

Da Leni wie oben beschrieben eher das Gefühl hat, eine leichtere Person zu sichern, benötigt Sie entsprechende Kompetenzen, um den Sturz weich und dynamisch hinzubekommen. Bei geringen Fangstößen ist es schwierig, mit reiner Körperdynamik zu agieren. Hier ist Sensorhand-Kompetenz erforderlich, um die Stürze weich zu halten. Insofern wurde hier die Falllänge tendenziell durch zusätzliches Seil im System für die Sensorhand etwas verlängert. Um János Rücken zu schonen, haben wir nur sehr vorsichtig ausprobiert, die Stürze mit weniger Kompetenz (also ohne Sensorhand) zu halten. Hier wurde deutlich, dass die Stürze dann schnell hart werden. 

Test 2: János sichert Máté

(15 Kilo Gewichtsunterschied, 80 Kilo Gewicht Kletterer)

OHMEGA Stufe 1

Wir machen es kurz: Schnell bemerken wir, dass in dieser Konstellation zu viel Gewicht bei János als sichernde Person ankommt. Er wird bei größeren Stürzen stark nach oben gezogen. Da eine Seilbremse ja genau das verhindern soll, wechseln wir auf Stufe 2. 

Dennoch verwundert uns diese Erkenntnis ein wenig. Warum machen 3 Kilo mehr Differenz einen so großen Unterschied? Wir nehmen an, dass es etwas mit dem höheren Gewicht des Kletterers zu tun haben muss, da hier insgesamt stärkere Kräfte im System der Seilschaft wirken. 

OHMEGA Stufe 2

Lassen sich die Stürze weich und dynamisch sichern? 

János konnte Máté bei allen Sturzlängen weich sichern. Ähnlich wie Leni hat er auf eine Mischung aus Sensorhand und Körperdynamik gesetzt. Auch mit Körperdynamik alleine konnten die Stürze dynamisch abgefangen werden, wurden jedoch als nicht so weich empfunden. 

 

Bewertungen der Stürze durch Máté: 2,8-4,5

 

Wie viel Kompetenz/ Wissen ist notwendig? 

Je mehr Kompetenz eingesetzt wurde (Beispiel Sensorhand), desto weicher hat Máté die Stürze bewertet. Dennoch war es auch mit weniger eingesetzter Kompetenz möglich, eine akzeptable Weichheit der Stürze zu erzielen. 

Test 3: Leni sichert Máté

(27 Kilo Gewichtsunterschied, 80 Kilo Gewicht Kletterer)

OHMEGA Stufe 1

Ok, nicht besonders verwunderlich, dass hier zu viel Gewicht bei Leni ankommt ;). 

OHMEGA Stufe 2

Lassen sich die Stürze weich und dynamisch sichern? 

Leni schafft es, alle Stürze weich und dennoch sehr kontrolliert zu halten. Theoretisch haben wir vermutet, dass Stufe 2 nicht ausreichen könnte, da János und Máté sie mit 15 Kilo gut nutzen konnten. Deshalb haben wir uns nach den Stürzen in die 8. Zwischensicherung an einen kleinen Härtetest gewagt: Unterstützt das OHMEGA auch ausreichend bei Stürzen in Bodennähe? Wir haben Stürze in die zweite, dritte, vierte und fünfte Zwischensicherung getestet. Das Ergebnis: Leni konnte alle Stürze kontrolliert halten und Máté hat sie alle als ausreichend weich empfunden. Sogar einen Sturz einen Meter oberhalb der 5. Zwischensicherung war problemlos machbar. 

 

Bewertungen der Stürze durch Máté: 3,5-4,5

 

Wie viel Kompetenz/ Wissen ist notwendig? 

Bei der Gewichtsverteilung zwischen Máté und Leni kam ausreichend Gewicht bei Leni an, um auch mit reiner Körperdynamik weiche Stürze zu erzielen. Dennoch trat nicht das Gefühl auf, dass Leni unkontrolliert nach oben gerissen wurde. Somit fühlt es sich so an, als ob ein weiches Sichern in dieser Gewichtsverteilung auch für Anfänger:innen gut und leicht machbar wäre. 

Sichern in Bodennähe mit dem OHMEGA
Den Sturz in die dritte Exe hält Leni aus der tiefen Hocke.
Stürzen in Bodennähe
Mit Stufe 2 beim OHMEGA ist das sehr kontrolliert möglich.

OHMEGA Stufe 3

Auch hier wurden die Stürze allgemein weich. Jedoch war hier wieder deutlich mehr Kompetenz erforderlich. Insofern würden wir mit unserer Gewichtsverteilung Stufe 2 bevorzugen.



Fazit

Wir bewerten es als sehr positiv, dass in der (Weiter-)Entwicklung neuer Seilbremsen (ZAED, Bauer light, OHMEGA) mehr und mehr der komplette Sicherungsvorgang in den Fokus der Entwicklung rückt. Solange es um eine reine Kompensation von Gewichtsunterschieden ging, dienten Seilbremsen primär als Sicherheit vor einem Zusammenprall oder Absturzsicherung. Es war viel menschliche Kompetenz notwendig, um weitere Aspekte wie weiches Sichern etc. zu ermöglichen. Rücken diese Faktoren bei der Entwicklung der Geräte in den Vordergrund, werden sie mehr und mehr zu Sicherungsassistenten. Dies könnte die Akzeptanz von solchen Geräten steigern. Wenn weiches Sichern mit neuen Geräten immer besser machbar ist, kein Seilzug zu spüren ist und auch sonst das Handling immer komfortabler wird: Was spricht dann noch gegen ihren Einsatz? Und lässt sich in extremen Situationen (Bodennähe, sehr weite Stürze) nicht auch bei einem 1:1 Gewichtsverhältnis die Sicherheit erhöhen, wenn Sicherungsassistenten im Einsatz sind? Voraussetzung dafür ist, dass sie weiches und dynamisches Sichern ermöglichen.

Mit OHMEGA, ZEAD und Bauer light ist das schon deutlich leichter machbar als mit älteren Geräten. Und dennoch muss der Umgang mit Seilbremsen erlernt werden. Hier sehen wir uns als Trainer:innen in der Verantwortung. Deshalb werden wir nicht müde, selbst zu testen, um unsere Erfahrungen dann an andere weiterzugeben. Egal wie gut das Gerät ist: Erst der Mensch, der es einsetzt,  bestimmt über das Maß an Sicherheit, das es gibt.